Let's talk about Transmisogyny
Über den Text
Dieser Text erschien ursprünglich in der Print-Ausgabe 1/2022 des feministischen Magazins an.schläge. Um ihn auch anderen Leuten zugänglich zu machen, teile ich ihn hier.
Let's talk about Transmisogyny
Ich möchte mit Simone De Beauvoir einsteigen: “Du bist nicht als Frau geboren, sondern du wirst eine.” Hallo. Ich bin Rhonda. Ich bin trans und ich bin eine Frau.
Im Transitionsprozess wird von uns trans Frauen erwartet, die gesellschaftlichen Normen, die an Frauen gestellt werden, zu erfüllen. Sogar zu übertreffen. Damit dir geglaubt wird, dass du eine Frau bist, musst du also mehr „Frau sein“, als es von cis Frauen erwartet wird. Diese Krux bildet den Kern der intersektionalen Diskriminierung, die trans Frauen erfahren – weil wir sowohl Frauen sind als auch trans Menschen und wegen beidem diskriminiert werden.
Geht es um Transfeindlichkeit, ist es deshalb besonders wichtig, unsere Stimmen zu hören, also die Stimmen derjenigen, die Transmisogynie erfahren, denn nicht alle trans Personen sind auf die gleiche Art von Transfeindlichkeit betroffen.
Prominentes Beispiel: Die Autorin-deren-Namen-nicht-genannt-werden-darf (J. K. Rowling, Anm.) hat mit ihrer Aussage “Sex is real” transmännlichen Personen ihre Geschlechtsidentität abgesprochen, als sie sich über die Formulierung “Menschen, die menstruieren” empört hat. Eine Bezeichnung, die transmaskuline Menschen und AFAB (Assigned Female At Birth, Anm.) non-binary Personen einschließt, die ebenfalls menstruieren können.
Bezeichnenderweise hat die aufgeregte Debatte jedoch vor allem dazu geführt, dass trans Frauen transfeindlich attackiert wurden – auch die Autorin selbst richtet sich ihn ihrem Essay vor allem gegen trans Frauen. Denn die Gefahr, die in diesen hasserfüllten Debatten heraufbeschworen wird, basiert auf klar biologistischen Annahmen – sie soll von Penissen ausgehen. In dieser Logik ist jeder vermutete Penis ein Unterdrückungsinstrument patriachaler Strukturen, der die Gefahr von sexualisierter Gewalt mit sich bringt.
Mal ganz abgesehen davon, dass dadurch trans Frauen grundsätzlich Gewaltbereitschaft unterstellt wird, basiert diese Unterstellung auf so vielen falschen Annahmen, dass alle Alarmglocken schrillen sollten:
Nicht alle trans Frauen haben einen Penis. Ein nicht geringer Anteil von trans Personen hat eine bzw. mehrere sogenannte geschlechtsangleichende Operationen hinter sich.
Den Penis als Instrument patriachaler Gewalt zu definieren, folgt der heteronormativen Vorstellung von penetrativem Sex. Für genügend trans Frauen ist eine Erektion jedoch allein schon aufgrund der Hormongaben nicht möglich.
Zudem ist penetrativer Sex aufgrund der Dysphorie für viele völlig uninteressant. Das hindert transfeindliche Personen allerdings nicht daran, sich dieser Muster zu bedienen, um solche Bedrohungsszenarien heraufzubeschwören.
Eine weitere, wenig beachtete Komponente von Transmisogynie ist, dass im queerfeministischen Umfeld vor allem transmaskulinen Personen eine Plattform gegeben wird, transfemininen Stimmen oftmals jedoch nicht. Natürlich ist es wichtig, transmaskuline Personen einzubeziehen – allerdings frage ich mich, ob hier der Hintergrund nicht ebenfalls wieder ein biologistischer ist, aufgrund der vermuteten inneren Körperorganen sowie aufgrund einer unterstellten weiblichen Sozialisierung.
Sozialisierung ist ein Begriff, mit dem trans Personen ständig konfrontiert werden, der aber ausblendet, dass eine Sozialisierung nicht lediglich im Kleinkindalter passiert, sondern sich das ganze Leben hindurch vollzieht – insbesondere auch nach der Transition.
Transmaskuline Menschen können nicht über die Diskriminierungserfahrungen von transfemininen Personen sprechen, da sie nicht von Transmisogynie betroffen sind. Oder um es anders zu sagen: Die Transfeindlichkeit, die transmaskuline Personen erleben, basiert darauf, dass ihnen Weiblichkeit zugesprochen wird. Transfemininen Personen hingegen wird sie abgesprochen.
Beides ist scheiße, aber auf andere Art scheiße. Diese Unterschiede müssen im Queerfeminismus berücksichtigt und gehört werden.
Rhonda D'Vine ist im Vorstand des Vereins Nicht Binär, Aktivistin und Poetry Slammerin.